viel wird und wurde bereits über fotografie geschrieben. hier soll darüber nachgedacht werden, wie qualität, design, funktion, kultur, form und zeitgeist ineinander greifen und sich gegenseitig beeinflussen. es soll hier nicht über fotografie an sich, als bildsprache, kunstform, etc. geschrieben werden: thema soll das zusammenspiel von werkzeug und werk sein – wobei an dieser stelle bereits erkennbar wird, dass die fotografie hier bloß beispielhaft den rahmen bietet.
auf beinah undendlich vielen seiten von dokumentationen werden ursache und wirkung, im sinne des zusammenhangs von fotografischer hardware und dem werk, das daraus entsteht analysiert – der anspruch auf objektivität wird allenthalben erhoben. das bild des technikers, der mit der lupe den fehler im ergebnis sucht, drängt sich auf.
auf der ganz anderen seite wird dem technisch möglichen, das sich schneller weiterentwickelt als all diese beobachtungen und vergleiche überhaupt abarbeiten könnten, eine alternative gegenüber gestellt:
von einem regelrechten antikult getrieben, wird der perfektion die absage erteilt: billiges und schlecht verarbeitetes plastik wird grell aufgeplustert und erhebt den anspruch der qualität ebenso, wie durch jahrzehntelange weiterentwicklungen entstandenes – ein bild, gebannt durch eine plastiklinse auf lange abgelaufenem, schlecht gelagerten und schlampig belichtetem billig-farbfilm kann genauso gut sein wie eine hochaufgelöste bilddatei, die in der neuesten entwicklung einer high-end profikamera entstanden ist.
ja. das kann sein.
die wahrscheinlichkeit dass dies so ist, bewegt sich allerdings im eher niedrigen bis äußerst niedrigen bereich, denn qualität definiert sich unter anderem dadurch, dass dem zufall1) eine möglichst kleine rolle zugestanden wird. dies kann durch technische präzision erreicht werden – also durch geeignete konstruktive maßnahmen, die die wahrscheinlichkeit erhöhen, dass entstehen wird, was entstehen soll – aber nicht nur.
ein anderer, aber höchst relevanter, aspekt – und jetzt wird’s spannend – ist der gestalterische. die intention der person, die das werkzeug bedient. was soll entstehen, oder, viel aktiver: was soll geschaffen werden?
kairos
ob die komposition passt, die szene stimmt, die bewegung erfasst wird, das momentum spürbar ist … ? kairos lässt sich nur schwer technisch garantieren. hier kommt eine andere dimension ins spiel – nicht zeit im sinne von geschwindigkeit, sondern zeit die benötigt wird, um all diesen aspekten beachtung zu widmen, um vorbereitet zu sein, um den richtigen augenblick zu antizipieren. dafür sind oft nur bruchteile von sekunden verfügbar, in anderen fällen sind es stunden, monate, jahre, die vergehen, bevor die situation eintritt, deren abbild letztendlich auf die speicherkarte /den film gelangen soll.
und was hat das nun wieder mit der technik, der hardware, dem werkzeug, zu tun?
es scheint manchmal, als stünden der ultraschnelle autofocus, die 60 frames/sec, die “intelligente” belichtungsmessung, und all diese hervorragenden entwicklungen dem prozess der gestaltung ein wenig entgegen. wir können “verantwortungslos” fotografieren, uns im wahren sinn des wortes verlassen.
das birgt allerdings die gefahr, aus dem eigenen gestalterischen prozess auszusteigen, sich selbst zu verlassen. die hohe qualität der bilder, meist scharf und richtig belichtet, womöglich sogar “entwackelt” oder sonstwie bereits in der kamera korrigiert, verleitet zur kompositorischen fahrlässigkeit. quantität schlägt qualität. eine serienaufnahme mit 20 pics/sec erhöht wohl die wahrscheinlichkeit, dass wenigstens einer von 20 frames ein gewünschtes ergebnis zeigt, ist aber dennoch nur bedingt geeignet, dem zufall entgegenzuwirken.
was ist nun das wirkliche werkzeug der fotographie? man muss gar nicht mit einer 8×10 inch laufbodenkamera an den start gehen, um das tempo zu reduzieren und diese besondere zeit entstehen zu lassen, die nötig ist, um dem gestalterischen prozess gerecht zu werden.
bereits die endlichkeit des filmmaterials in der kamera (36 bilder im klassischen kleinbildformat, 8 bis 12 im mittelformat, nur mehr 4 aufnahmen pro film in einer 6x17cm panoramakamera oder 2 negative in einem Belichtungsrahmen für großformatige kameras) beeinflusst die gestaltung.
vielleicht geht es in wirklichkeit ja viel weniger um das werkzeug – was, zum beispiel, hat fotografie mit der kunst des bogenschießens gemeinsam? vielleicht können Herrigel und Cartier-Bresson diese frage beantworten …
1) besonders spitze zungen behaupten “messen bedeutet, den zufall durch irrtum zu ersetzen” … kontrolle & reflexion ist – wie ich denke – meist dennoch der bessere weg …